Eine E-Gitarre aus dem eigenen 3D-Drucker, klingt etwas verrückt, klappt aber wunderbar. Ich berichte euch heute von meinem bislang größten 3D-Druckprojekt, und liefere euch das Modell und eine Anleitung, wie ihr selbst ebenfalls eine 3D-Druck-Gitarre erschaffen könnt.
Hinweis: Dieser Beitrag wird weiter aktualisiert, wenn es Neuigkeiten gibt. Einen Changelog findet ihr unten.
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Die Idee und Planung
Kann man eine E-Gitarre 3D-drucken? Auf diese Frage gibt das Internet eine Antwort: Ja, das geht, das haben schon Leute gemacht. Doch wie schwer ist es, mit seinem 3D-Drucker eine E-Gitarre zu erschaffen – und schafft man das selbst?
Die Herausforderungen sind vielseitig, natürlich abhängig von eurer Ausgangssituation. Mit meinem Ender 3 3D-Drucker mit 22,5 cm x 22,5 cm Druckfläche kann man im Verhältnis zu einer Gitarre immer nur recht kleine Stücke drucken. Je größer also euer Drucker ist, desto weniger müsst ihr euch Gedanken um Aufteilung, Übergänge und so weiter machen. Auch ist das natürlich für jede Bauart nur förderlich, da weniger Bauteile auch weniger Arbeit bedeuten.
Wenn ich über das 3D-Drucken einer Gitarre spreche, dann meine ich damit in erster Linie den Körper der Gitarre. Zwar gibt es auch Berichte über Musiker und Bastler, bei denen auch der Hals und der Kopf gedruckt wurden, das würde den Aufwand meiner Meinung nach aber nur unnötig verkomplizieren.
Grundsätzlich hat man die Wahl, wie viel Arbeit man sich selbst machen möchte und an welchen Stellen man auf bestehende Ressourcen zurückgreift. Soll heißen: Wenn ihr einen Body findet, der auf euren Drucker passt, könnt ihr auch ganz ohne Anpassungen sofort loslegen. Ihr könnt aber auch ein bestehendes Modell verändern und passend machen (so wie ich) oder ein komplett neues Modell entwerfen.
Gleiches gilt auch bei der Frage nach der Technik der Gitarre selbst. Man kann alle Stücke einzeln kaufen und zusammensetzen, man kann aber auch eine bestehende Gitarre kaufen, auseinander bauen, und später in die 3D-Gitarre einsetzen.
Meine Vorbereitung
Ich wollte mir nicht zu viel Arbeit machen, außerdem wollte ich im ersten Schritt erst einmal probieren, ob das mit der 3D-gedruckten E-Gitarre überhaupt funktionieren kann. Deshalb habe ich ein Modell von Thingiverse genommen, das mir gefallen hat. In meinem Fall war es die „Honeycaster (3d-printed Telecaster)“ von Lokus0001.
Wie beschrieben kann man natürlich auch alle Einzelteile der Gitarre selbst zusammensetzen. Da das aber teurer als ein günstiges Einstiegsmodell ist, habe ich mich zunächst für eine Basis-Gitarre von Harley-Beton, der Eigenmarke von Thomann, entschieden.
Bei dem wunderbaren Modell vonLokus0001 war für mich recht schnell klar: Das werde ich so nicht drucken können. Der Hersteller gibt an, dass er einen Drucker mit einer Druckfläche von 30 mal 30 cm besitzt, was meinen Ender 3 etwa um 1/3 überragt. Tollerweise hatLokus0001 neben den STL-Daten aber auch die Rohdaten der Gitarre hochgeladen. Somit kann dieses Modell auch von euch beliebig angepasst werden, bestenfalls mit Autodesks Fusion 360, wovon es auch eine kostenlose Version gibt.
Eine wichtige Frage ist die Frage nach dem Filament. In Anlehnung an die legendären Telecaster-Gitarren von Fender sollte sie rot werden. Allerdings nicht einfach rot, dann könnte ich sie auch gleich nach dem Druck rot lackieren, nein sie sollte zumindest ein bisschen transparent sein.
Bestellt habe ich zwei PLA-Rollen, einmal von Amazon Basics und einmal von TOPZEAL. Und, oh Wunder, sie unterscheiden sich überhaupt nicht, obwohl das Filament von TOPZEAL fast 1/3. teurer ist. Leider ist das Amazon Filament typischerweise öfter mal ausverkauft.
3D-Gitarre zersägen
Das Modell war also zu groß, um von meinem 3D-Drucker gedruckt werden zu können. Also habe ich Autodesk Fusion 360 auf meinem Mac installiert und im ersten Schritt überlegt, wie ich die Gitarre am besten kleiner aufteilen kann.
Im Gegensatz zum Original musste ich dabei das Stück zwischen Halsmontage und Saitensteg auseinandernehmen.Lokus0001 gibt an, weite Teile der Gitarre geklebt zu haben, ich konnte mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Druck der gespannten Saiten mit einem Kleber zu halten wäre. Also habe ich eine Steckverbindung entwickelt. Die Steckverbindung habe ich in mehreren Testdrucken angepasst und verbessert.
Mir wurde klar: Statt aufwendigen Klebeverfahren könnte ich einfach alle Übergänge steckbar machen. Was sich einfach anhört, endete darin, dass ich sehr viel testen musste, da immer wieder Teile doch nicht ganz ineinander passen wollten, was gerade bei den Übergängen über eine Ecke eine Herausforderung war. Nach vielen Versuchen konnte ich die Funktionsweise aller Verbindungen beweisen und habe so angefangen, die ersten Teile tatsächlich zu drucken.
Mein Modell findet ihr auch bei Thingiverse, darunter die STL-Dateien, wenn ihr sofort loslegen wollt, oder die Fusion 360-Datei zum Anpassen.
Die Umsetzung: So habe ich mir meine E-Gitarre gedruckt!
Ich fasse noch mal zusammen:
Einkaufsliste
Wenn nicht vorhanden: 3D-Drucker (unsere aktuelle Empfehlung: ANYCUBIC Vyper).
Zwei bis drei 1kg-Rollen Filament: Ich habe hier transparentes Rot von Amazon Basics und von TOPZEAL verwendet, meine Chargen waren identisch.
Ausgangsgitarre: Ich habe die Harley Benton TE-20 SB Standard Serie E-Gitarre bestellt.
Gitarrensaiten: Wenn ihr auch von der Harley Benton-Gitarre ausgeht, bestellt euch gleich neue Saiten mit, dann klingt die Gitarre gleich deutlich besser und ihr habt weniger Stress bei der Montage. Bei mir wurden es die Daddario EXL120-3D.
Wenn nicht vorhanden: Lötkolben: Hier reicht ein einfacher aus China von Amazon. Es steht euch frei, hier mehr Geld auszugeben, für diesen Zweck reicht es.
Weiteres Zubehör kann ebenfalls praktisch sein, wie etwa eine Saitenkurbel.
Ursprungsgitarre demontieren
Erste physische Aktion: Ursprungsgitarre einmal testen und dann demontieren. Saiten abspannen, Hals abschrauben, Elektronik aufschrauben, Bilder machen und auseinander löten. Fertig.
Der Druck …
… dauert ziemlich lange. Ok, mal im Ernst, das längste Teil hat 34 Stunden gebraucht.
Gedruckt habe ich natürlich flach, mit 2 Außenwänden (1 mm Wanddicke) und 40 % Infill, mit adaptiver Füllung, Cura nennt das „Würfel-Unterbereich“. Hier wird an komplexen Stellen für mehr Dichte gesorgt. Die Scharniere sind so besonders gestützt, während im Inneren größere Hohlräume gelassen werden.
Die Flächen oben und unten habe ich mit einer Dicke von 0,8 mm gedruckt. Außerdem habe ich für die Oberseite die Funktion „Glätten“ aktiviert, wodurch die Oberfläche besonders glatt und weich wird.
Eine Schicht hat bei mir 0,15 mm.
Ich bin qualitativ mit den Einstellungen sehr zufrieden, auch die Steifigkeit reicht mir völlig. Man merkt im Vergleich zu einem Holzkorpus aber definitiv mehr Bewegung. Wer mehr Steifigkeit erreichen möchte, sollte die Wanddicke weiter erhöhen – auf Kosten von Material und Druckdauer.
Begonnen habe ich mit den beiden Teilen, über die später auch die Saiten gespannt werden. Hier habe ich das größte Risiko gesehen, etwa dass das Material nachgibt, oder sich durchbiegt etc. Zum Testen habe ich also während der Rest noch gedruckt wurde mit dem Zusammenbauen angefangen: die beiden Teile zusammengesetzt, den Hals montiert und die alten Saiten aufgespannt.
Dass der Hals hier erst mal nicht in das Werkstück passen wollte, erspare ich euch an dieser Stelle mal(Problem in den Dateien bereits behoben).
Druck von Teil 2:
Ich wurde gefragt, wie man Teil zwei der Gitarre, also das Mittelstück auf einem Ender positionieren kann. Hierfür ist in der Tat Fingerspitzengefühl gefragt. Es müssen auf jeden Fall im Slicer zusätzliche Sicherheitsmagen deaktiviert werden. Bei mir sieht das dann so aus:
Montage der 3D-Druck-Gitarre
Wie beschrieben, als Erstes habe ich die beiden mechanisch am interessantesten Teile gedruckt und zusammengesetzt.
Im Anschluss habe ich die Mechanik installiert, die Seiten gespannt und die Tonabnehmer eingebaut. Heraus kam eine E-Gitarre, welche natürlich noch keinen verstärkten Ton von sich gab, aber zumindest einmal gezeigt hat, dass sie technisch gesehen grundsätzlich funktioniert.
Nachdem ich die Gitarre auf ihre Grundfunktionalitäten ausführlich getestet hatte, und ich mir sicher sein konnte, dass digital grundsätzlich funktionieren würde, habe ich die elektronischen Komponenten wieder zusammengelötet. Damit ist der wichtigste Teil der Gitarre bereits fertig montiert, der Rest ist im Wesentlichen nur noch Dekoration.
Nun musste ich nur noch auf die letzten Teile aus dem 3D-Drucker warten, zusammensetzen – und fertig!
Wie gut ist die 3D-E-Gitarre?
Die E-Gitarre selbst ist in meiner Umsetzung akustisch nichts Besonderes, da ich abgesehen von den Saiten hier keine weiteren Änderungen vorgenommen habe. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei also um eine einfache Einsteiger-Gitarre, doch zukünftigem Aufrüsten steht nichts im Wege.
Interessant ist insbesondere die Gewichtsverteilung, da der Körper selbst nun deutlich weniger wiegt als er das aus reinem Holz tun würde, verlagert sich der Mittelpunkt weiter Richtung Hals. So muss man die Gitarre beim Spielen deutlich nach oben halten, woran ich mich persönlich jedoch relativ schnell gewöhnt habe. Alternativ müsste man hier Gewichte im Körper anbringen oder einen leichteren Hals besorgen.
Die Steifigkeit der Gitarre ist so völlig ausreichend, allerdings nicht so ausgeprägt wie bei einer Holzgitarre. Drückt ihr am Körper herum, könnt ihr schon ein Detuning beobachten – kann aber auch Stilmittel sein 😉
Ansonsten sorgt die Gitarre bei euch auf jeden Fall für Aufsehen bei Familie, Freunden, anderen Bandmitgliedern, Musikern und so weiter. Ich habe glaube ich noch nie so viel über ein Instrument geredet.
Ausblick
Zusammenfassend kann ich also sagen: Es ist nicht nur möglich, eine E-Gitarre mit einem 3D-gedruckten Körper auszustatten, das macht auch eine Menge Spaß, wenn ihr ein wenig das Tüftler-Gen habt.
Wer noch nicht viel an Gitarren herumgeschraubt hat, daran aber etwas ändern möchte und Zugang zu einem 3D-Drucker hat, für den ist das auf jeden Fall eine coole Möglichkeit, sein Instrument besser kennenzulernen.
Den Profi-Gitarristen von euch muss ich natürlich nicht sagen, welche Möglichkeiten sich grundsätzlich hinter der Option verstecken, den Körper nach eigenen Plänen anzufertigen. Neben einer möglichen Beleuchtung könnte man natürlich genauso gut auch Effektpedale oder andere Zubehörteile in der Gitarre verstecken. Und das eben genauso, wie ihr euch das vorgestellt habt – und das Ganze sieht dann auch noch richtig gut aus.
Einem weiteren Projekt steht bei mir jedenfalls nichts im Wege, gegebenenfalls verbessere ich auch die hier beschriebene Gitarre zukünftig noch mal weiter. Dann würde ich allerdings versuchen, den Körper komplett nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.
Changelog:
24.01.22: Initial
01.02.22: Hinzufügen von Abbildung und Beschreibung „Teil 2 auf Ender 3 Drucken“
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Hey Fynn,
freut mich total, dass du einen ausführlichen Blogbeitrag über das Drucken von meinem Gitarren-Modell gemacht hast! Ich hoffe du hast weiterhin Spaß mit der Gitarre und am 3D-Drucken.
Viele Grüße,
Hendrik (Lokus0001)